Mittwoch, 23. April 2014

#0 My Bloody Valentine - Loveless [Test]

My Bloody Valentine - Loveless

Perfektionismus in Perfektion

Der 4. November 1993 war das lange und hoffnungsvoll erwartete Licht am Ende eines Tunnels, der von 1989 bis ins späte 1991 durchlaufen wurde. Das zweite Studioalbum der irisch-englischen Band My Bloody Valentine wurde nach zweijähriger Aufnahmezeit, die in 19 unterschiedlichen Studios stattgefunden hat, an eben jenem Datum endlich veröffentlicht. Der gesamte Aufnahmeprozess hat Gerüchten zufolge an die 250.000 £ gekostet, und ganz nebenbei fast für den finanziellen Ruin des Labels Creation Records gesorgt.

Offensichtlich hatte Kevin Shields, Gitarrist und Hauptverantwortlicher für den Sound des Albums, schon eine ganz genaue Vorstellung wie denn das Endprodukt klingen sollte, als er mit seiner Band 1989 anfing, Aufnahmen für Loveless zu produzieren. Das würde unter Anderem auch die 16 verschiedenen außerbandlichen Assistenten und Toningenieure, denen gedankt wurde und die noch nicht einmal die Aufnahmen bei ihrer Entstehung anhören durften, erklären.

Das Album ist unter voller Kontrolle der Band, das heißt unter voller Kontrolle Kevin Shields´ entstanden. Toningenieure und Assistenten durften nur ein paar Tasten und Knöpfe im Studio betätigen. Damit war der potenzielle Störfaktor dieser nervigen Gestalten schon mal sehr gering gehalten. Immerhin bedankte man sich, wie eben schon zu Papier gebracht, bei allen mehr oder weniger Involvierten, auch wenn diese nur Tee gekocht haben. Netter Schachzug, vor allem wenn man bedenkt, dass einige Produzenten, nachdem sie meinten die Akteure machen alles falsch, was man nur falsch machen könne, sofort gefeuert und ersetzt wurden. 

Des Weiteren versteckt sich der Wahnwitz und Perfektionismus auch sonst in allen Ecken. Beispielsweise wurde mehr Zeit für die Texte der Lieder investiert, als für die Musik derer. Dabei kann man diese kaum hören, weil sie extrem leise in den feinen Tonstoff eingewebt wurden. Kevin Shields hat den Gesang zwar bloß als additionales Instrument verstanden, allerdings gäbe es laut ihm nichts Schlimmeres als schlechte Texte in Liedern. Damit also auch diese zusätzliche Geräuschquelle perfekt eingearbeitet ist, musste Sängerin und zweite Gitarristin Bilinda Butcher teilweise spät nachts den Gesangspart aufnehmen, um deren Schläfrigkeit einzufangen. was das Musikalische in den Liedern offenbar wunderbar unterstützt.


Angus Cameron und der Nebel in pink

Angus Cameron produzierte diverse Musikvideos für My Bloody Valentine, deren Musikstil man als Shoegazing bezeichnete. 1990 wurde das Video zu "Soon", 1991 zu "Swallow", "To Here Knows When" und "Only Shallow" gedreht. Das Cover der Platte ist entweder das Standbild des ersten oder zweit genannten Videos. Aufgrund sehr ähnlichem visuellen Stil, was wohl mit der visuell sehr fokussierten Gitarre zu tun hat, lässt sich nicht genau bestimmen welches der beiden denn nun das tausendfach auf die Plattenhüllen gepresste Motiv enthält. Fest steht allerdings, dass dieses Standbild wohl eine wunderbare Färbung quer durch das Prisma einer rosa Sonnenbrille erfahren hat.
Fender Jazzmaster:
So oder so ähnlich sieht das Teil aus

Der Legende nach ist die Gitarre, die hinter den lustigen Verwehungen und Nebelschwaden von pinker Farbe erst beim zweiten Blick erkennbar wird, die japanische Fassung einer Fender Jazzmaster. Die sechssaitige Wundermaschine lieh sich Kevin von seiner Schwester Ann Marie zum Videodreh. So viel jedenfalls zur Legende.

Jenseits von Legenden stellt das auffällige, ins Auge stechende Cover, das den Bandnamen schüchtern im linken, unteren Ecken angibt, (Tatsächlich habe ich erst gar nicht bemerkt, dass dieser auf dem Teil zu finden ist) gnadenlos gut getroffen, visualisiert das Klangspektrum des Albums dar. In hohen Dezibelzahlen verstecken sich hierauf Melodien und fliegende  Klangteppiche, die von traumgetränkten Gesängen in aller Langsamkeit und Intensität die Lüfte überschatten. Selten habe ich ein Cover gesehen, das so gut den Sound des Albums zitiert. Es ist, als wäre das Coverartwork eine Beschreibung für die Musik, die auf dem Speichermedium enthalten ist.


Tribute Zollen

Japancakes - Tributalbum
Yellow Loveless
Zeitzeugenberichten zufolge erreichte das Album auch den asiatischen Raum (Wow, eine Leistung, die ihres Gleichen sucht). Verschiedene japanische Bands coverten den Meilenstein des Shoegaze-Genres. Aus allerlei anderen Genres setzt sich die bunte (bzw. gelbe) Mischung des in 2011 erschienenen, "Yellow Loveless" getauften Tribute-Albums zusammen So geschehen allerdings auch schon 2007, als die amerikanische Band Japancakes ebenfalls alle Songs der Platte neu interpretierte. Wie man unschwer erkennen kann, wurde in beiden Fällen sogar das Cover "gecovert". Wenn schon, dann gründlich.

Am Rande

Mal so eben am Rande erwähnt, wenn wir schon mal grade hier sind: Sein Album "Loveless" zu nennen, nachdem soviel Detailverliebtheit, nebst unmöglich vielen Studiowechseln, schlecht verdaulichen Kaskaden von Stress und Unmengen von Arbeit, in die ganze Chose eingebrannt wurden, halte ich für sehr selbstkritisch und -ironisch. Gefällt mir sehr gut. Hat zwar absolut nichts mit der Musik auf dem Album zu tun, aber mit der gesamten Produktion, die dahinter steht. Im Endeffekt schon irgendwie eine coole Idee. Zu guter Letzt noch etwas Gehaltvolleres als meine kleine Anmerkung, der Komplementierung wegen:

Originale Trackliste

  1 Only Shallow                      
  2 Loomer
  3 Touched
  4 To Here Knows When
  5 When You Sleep
  6 I Only Said
  7 Come In Alone
  8 Sometimes
  9 Blown A Wish
10 What You Want
11 Soon